Der Punkt
Ein unscheinbarer, da ausdehnungsloser Begleiter unseres Lebens und doch Alpha und Omega unseres Denkens

Wir sagen täglich "Zeitpunkt", "Schnittpunkt", "toter Punkt" und verwenden Begriffe wie "Zenith", "Nadir", "Apogäum", "Perigäum", "Ultimo" oder "17:30" deren Vater er ist.
Die Rede ist vom Punkt. Der Punkt hat generell keine Ausdehnung und entsteht daher ausschließlich durch sein Gedacht - Sein.

Überhaupt scheint der Punkt uns Menschen schon lange durch unsere Geschichte zu begleiten, steht er doch auch am Anfang eines jeden individuellen Lebens, wenn ein Baby sagt "da".
Primär ist dieses "da" die Bezeichnung eines Punktes, auch wenn das Baby vielleicht sagen will: "Ich habe gemerkt, dass du nicht ich bist!".

Der Punkt ist absolut, in der Welt in der er gesetzt wird, z.B. ein Blatt mit Millimeterpapier, einer Miniwelt, dort belegt er eine bestimmte Koordinate. Von außerhalb seiner Umgebungswelt betrachtet, muss er zu dieser relativ gesetzt werden. Das Umherwandern des Millimeterpapiers im Zimmer bewirkt nämlich ein mittelbares Umherwandern des Punktes.

So wäre ein Punkt, der auf einem Planeten klar definiert ist, keine absolute Angabe bezogen auf die Galaxis, in der der Planet ist und sich bewegt, oder gar für das ganze Weltall. Die absolute Angabe gilt nur auf der Welt, auf der der Punkt gemacht wurde. Nähere Angaben wären dann der Name des Planeten, der Name seiner Sonne, usw.

Punkte sind nicht nur da, "wo Platz ist". Die Ausdehnungslosigkeit eines Punktes ermächtigt ihn dazu, überall zu sein. Im Magma des Erdinnern, 6 feet under, in 10 Metern Höhe - zu Land, Wasser, Luft, auf einer Oberfläche, in der Materie, in einem Organismus gar!

Worauf bezieht sich ein Punkt?
Sicher bezieht sich ein Punkt auf eine Gerade / Strecke, eine Fläche, einen Raum oder Raumzeit. Einen Punkt da zu machen, wo "Nichts" ist, würde bedeuten, mit einer Schöpfung aus dem Nichts zu beginnen. So begegnet uns unser Freund, der Punkt, natürlich auch in der Theorie vom Urknall. Ein Längenpunkt ist eine Markierung auf einer Strecke, wie ein Kilometerstein der Bahn. Er steht z.B. stellvertretend für den Gedanken "noch 5 Kilometer bis Brohl". Ein Flächen-Punkt ist definiert als Schnitt zwischen 2 Strecken, ein Raum-Punkt als Schnitt dreier Strecken, ein Raum-Zeit-Punkt ist ein Schnitt von 4 Strecken, denn selbst wenn er sich im Raum nicht bewegt, läuft er doch die Zeitlinie, sei sie linear oder nicht, entlang. Der Flächen-Punkt ist der Geläufigste, der Raum-Punkt, zwar etwas abstrakter, macht Handwerkern trotzdem sicher keine Probleme. Der Raum-Zeit-Punkt schließlich könnte der Erklärung bedürfen, wenngleich uns allen klar ist, was wir meinen, wenn wir uns zu einer Zeit an einem Ort verabreden. Sicher gibt es auch Punkte in der 5- 6- oder 7-Dimensionalität, die wir an dieser Stelle aber den Mathematikern überlassen.

Unsere Welt ist voller Punkte. So ist z.B. eine GPS - Ortung, bestehend aus Längen- und Breitengrad, ein Flächenpunkt - auf der Oberfläche der Erde. Betrachtet man ihn als seiner Welt immanent, so ist er dort absolut, d.h.: er wird noch in Millionen Jahren genau da sein, wo er jetzt ist, sofern sich die Masse des Planeten nicht verflüchtigt haben wird. Transzendent wird er relativ zur Sonne mit seinen trudelnden Doppelkreisbewegungen, die er um sie ausführt, unregelmäßig, wie alles Natürliche. Wollte man von einer imaginären fixen Position(das nämlich ist ein Punkt) ausserhalb der Pluto Umlaufbahn einen GPS - bestimmten(d.h. von einem Satelliten aus der Erdumlaufbahn) Punkt auf der Erde mit einem Dart - Pfeil treffen, müsste man eine Weile rechnen und hätte wahrscheinlich nicht die Vogelfluglinie. Vermutlich wäre man gut damit beraten, den Punkt relativ zur Sonne anzuvisieren.

Ein von uns über uns ins Weltall hineingedachter Punkt würde analog zu seiner taumelnden Bewegung um die Sonne, durch die mit der Entfernung sukzessiv sich vergrößernden Radien der Kreise, aus denen die Taumelbewegung letztlich besteht, in der gleichen Zeit größere Strecken zurücklegen. Er würde also schneller, je weiter er weg ist. Ein paar parsec entfernt würde er die vielfache Lichtgeschwindigkeit erreicht haben.

Interessant ist das Wesen eines Zeitpunktes. Nimmt man den Begriff nämlich wörtlich, so ist er eine vollständige "gefrorene" Welt mit stehenden Gestirnen, Menschen und Tieren als in actu versteinerten Akteuren, Bäumen, die sich einem Wind beugten, der nun steht und jetzt nicht mehr zurückfedern, Vögeln, die in der Luft stehen, ja Selbstmördern, die gesprungen sind und nie aufschlugen...

Einige Eigenschaften, die der Punkt heute für uns hat, scheinen auf Demokrits Atomtheorie zurückzugehen. Das kleinste Teilchen war für Demokrit nicht notwendig empirisch, sondern noch eher ein Vorgänger unseres Punktes, nicht wie dieser als gedachte Ortsmarkierung, sondern als das denkbar Kleinste, weshalb denn Demokrit durch moderne Atomtheorie auch nicht widerlegt ist, allenfalls der, der als erster das von uns heute "Atom" genannte Teilchen mit Demokrits Atomos gleichsetzte, wäre als widerlegt anzusehen.

Euklid sagt, dass der Punkt keine Teile hat, also "atomos" - unteilbar ist. So wird etwa ein Kreis durch seinen Mittelpunkt bestimmt, und wenn ich ihn zerschneide und gebe zwei Leuten je eine Hälfte, hat keiner mehr den Mittelpunkt, wie es scheint.

Ich sage "wie es scheint", denn ich finde, der Mittelpunkt hat sich aus einem 2 dimensionalen Flächenpunkt in zwei eindimensionale Streckenpunkte zerlegen lassen, die immer noch die Mitte der Sekante an beiden Kreishälften bezeichnen. So beraubt die Teilung eines Punktes diesen einer Dimension, bis schließlich der Streckenpunkt mit nur 2 Dimensionen dann doch "atomos" ist.

Auch die metaphysische Bedeutung des Punktes ist nicht zu unterschätzen, ist er doch in manchen Religionen gar der Ort der Wesenheit der Gottheit! Entsprechend ist er im Menschen die vielbeschworene "Mitte". Auch Zeitpunkte spielen in den Religionen eine große Rolle: der erste bis siebte Tag der Schöpfung, der Tag an dem Gott so schwitzte, dass die Menschen aus seinen Achselhöhlen fielen, der Moment des Eschatons. Man selbst mag dazu stehen, wie man will, doch "metaphysisch" im Wortsinn, d.h. "über diese Welt hinausweisend" ist unser Freund, der Punkt gewiss!

Schließlich wenn ich behaupten würde, dass "LIDL sucht den Superazubi" gegen die Menschenrechte verstoße und daher ein Fall für amnesty international sei, oder von den
Vereinigten Nasen von Amerika
reden würde, wären das ja auch 2 Punkte, wenn auch keine ganz Vordergründigen!

In geistiger Hinsicht kann ein Punkt eine These sein, ein Standpunkt, den man vertritt, kann aber auch eine ganze philosophische Schule sein. Denkt man an Dialektik, so hat man zwei sich gegenseitg widersprechende Standpunkte, die sich in einer Synthese gegenseitig aufheben sollen.
Punkte sind einfach überall, wohin man schaut!

Auch hermeneutische Vorgehensweisen z.B. der Textanalyse sind ein Katalog von Punkten, die gleich einem Computerprogramm abzuarbeiten sind, eine Checkliste, verlaufend von oben nach unten.

Eine Liste, welchem Zweck auch immer sie dient, selbst wenns ein Einkaufszettel ist, ist ihrem Aufbau nach eine Punktsammlung, denn man möchte ad 1., ad 2. oder 3. Dies und Jenes besitzen. Um dieses Ziel zu verfolgen, denkt man nacheinander an die Gegenstände, benennt sie richtig und hält sie in einem Unterpunkt der Liste fest. Auch die Ganzheit der Liste wird zusammengefasst wieder zu einem Punkt, dessen Informationsgehalt in eine Richtung zeigt. Als einzelner Punkt gedacht, ist eine Einkaufsliste ein Zeiger auf den WALMart um die Ecke.

Dorthin nimmt man den Einkaufszettel mit, um die darauf gespeicherten Gegenstände zu besorgen. Man arbeitet ihn Punkt für Punkt ab. Aus Bildern Wörter zu machen und daraus eine Liste ist eine mehrstufige Abstraktion: Bilder werden Wörter, Wörter werden Buchstaben, die mehr oder weniger orthografisch korrekt unter Verwendung antrainierter komplexer Bewegungsmuster auf das Papier fließen.

Der Punkt ist unser Abstraktionsgehilfe.
Als Begriff enthält er alles, was wir nicht oder noch nicht näher spezifizieren können, denn oft reden wir von einem "Punkt", bevor wir der Sache einen eigenen Namen gegeben haben werden, und in einer Sprache, in der es keinen Punkt gibt, da gibt es auch kein FuturII.

Der Punkt liefert, indem er Abstraktion ermöglicht, alles was ist unserer Begrifflichkeit aus. Was gesagt werden kann, kann auch getan werden. Das Absurde ist eine Kombination von Punkten miteinander zu einer Einheit, die wir an unserem Fleck in der Zeitgeschichte(der selbstverständlich auch ein Punkt ist) als unvereinbar miteinander empfinden. Auch die Komik lebt davon. Die Pointe eines Witzes besteht in gewisser Weise in ihrer Kontrapunktik.

Gedanken werden Worte, Worte werden Taten. Zwischen Wort und Tat liegen oft vielfältige Berechnungen einzelner Punkte, wenn man eine Brücke bauen oder zum Mond fliegen will. Solange wir sein werden, wird auch der Punkt sein!

Vermutlich gibt es keine Sprache auf der Welt, in der es das Wort für "Punkt" nicht gibt! Der "Punkt" ist in noch erheblicherem Ausmaß eine Allzweckmetapher als der "Weg". Eine Versprachlichung, wie "der Weg, ein bestimmtes Ziel zu erreichen" ist mindestens auf die alten Ägypter zurückzudatieren, wobei "mindestens" hier sagen will, das wir nicht wissen, wie alt
"der Weg" als Metapher ist. Über das Alter einzelner Elemente unserer Sprache herrscht ohnehin noch viel Unklarheit, wie die etymologische Herleitung des Wortes "desertieren" zeigt. Man bezeichnet als Herkunft das lateinische Wort "deserere" - verlassen und lässt dabei außer acht, dass das lateinische "deserere" bereits ein ägyptisches Lehnwort war, von "Descheret", die Wüste.

Und - wie könnte es auch anders sein! - der Weg besteht, wie sein mathematischer Vetter, die Strecke, aus zwei einander entgegengesetzten Punkten. Entgegengesetzte Punkte können zeitversetzt, raumversetzt, widersprüchlich oder Elemente einer Liste sein. Bleibt man auf der Stelle, legt man trotzdem noch einen Weg innerhalb der Zeit zurück, bewegt man sich, legt man einen räumlichen Weg zurück, denkt oder glaubt man erst die eine und dann die andere widersprüchliche Behauptung, so legt man einen Weg im ideellen Raum zurück, gleichsam eine Gratwanderung des Dafürhaltens. Ein Beispiel hierfür könnte ebensogut ein religiöser Konvertit sein, wie der Mann, der zuerst eine Stereoanlage kaufen wollte, dann aber mit einem Sofa nach Hause kam.

Eine mögliche Synthese wäre hier ein Hörsofa. Seiner Frau erzählt er zu Hause an welchem Punkt seines Ausflugs er von der Stereoanlage zum Sofa kam.

Das Hörsofa, eine Punktsammlung wie der Wolpertinger!

Die Anhäufung systemtragender Punkte hat die Einbauküche mit integrierter Spülmaschine mit dem Wolpertinger gemeinsam. Wer nämlich aus einem Rehgeweih, einem Fuchskopf, Entenflügeln und Füßen und irgendeinem Tierkörper einen Wolpertinger zusammensetzen kann, dem gelingt es irgendwann, vielleicht 2 oder 3 Generationen später erstmals, auch einen Verbrennungsmotor zu bauen. Gar nicht so dumm, die Narren mit ihrem Wolpertinger, sind doch auch die Narren immer diejenigen, die "nie einen Punkt machen", sei damit "einen Punkt für sich machen", d.h. Ansehen, Geld oder Vanillepudding als Belohnung für die eigenen Verdienste zu bekommen, oder "nie einen Punkt zu machen", d.h. wieder aufzuhören mit ihrer Narretei!

Ein Punkt ist ein Ja oder ein Nein zu etwas, das wir uns denken, oder das wir sehen, real vor uns oder im Geiste. Sofern er kein schlichter Markierungspunkt in der Raumzeit ist, ist er stets positiv oder negativ, ein Instrument der Dafürhaltelogik.

Die erste Frage, die der Punkt uns daher entgegenschleudert, sobald er von uns entdeckt wurde ist: "Habe ich Eigenschaften?"
Nur ein "Ja" als Antwort auf diese Frage eröffnet den Lebenszyklus des Punktes, denn ein Punkt ohne Eigenschaften ist gar kein Punkt. Ein Punkt ist ein Zeitpunkt, ein Raumpunkt, ein Standpunkt oder ein Zeiger auf etwas in einer realen oder gedachten Welt / Miniwelt, wie ein Aufzählungspunkt und hat näher spezifierbare Eigenschaften auf die Fragen "wann?", "wo?" oder "was?".

Ich frage mich, warum der Punkt nicht berühmter ist, warum es selten ein "Gasthaus zum Punkt", zwar immer Punkte der Tagesordnung, nie aber einen "Tag des Punktes", ein "gepunktetes Jahr" oder eine "Punkt - Preisverleihung" gibt, obwohl er bekannt ist, wie ein gepunkteter Hund!

Ohne den Punkt ist denken gar nicht möglich. Er ist eine geistige Pinzette, mit der wir anscheinend geboren werden. Man kann nicht wirklich reden "ohne Punkt und Komma", denn man kann ohne Punkt und Komma nicht einmal denken! Das Komma ist ein Trennpunkt zweier Satzteile. Schreibt man es auf lateinisch mit einem "m", also "coma", bedeutet es "Haar", so wie griechisch "Kome". Das Herkunftswörterbuch hat hier ein griechisches Wort "komma" mit 2 "m" ausgemacht, das angeblich "Schlagen, Abschnitt, Einschnitt" heißt. Sicher nahezu jeder hat beim Reden mal zum Spaß die Kommas mitdiktiert. Tatsächlich hat der kleine ausdehnungslose Punkt seine Finger überall mit im Spiel.

Der Punkt muss vor vielen Millionen Jahren gemeinsam mit unserem Denken als das geheimnisvolle "da" entstanden sein, wenn er nicht gar eine Eigenschaft jeden Lebens, also auch des Lebens einer Bakterie ist!

"Wo denkst du hin?", mag man fragen, und genau das sagt uns der Punkt: Er ist das Wohin unseres Denkens und die Triebfeder unserer Zukunftsorientiertheit. Unberührt von der Frage nach dem Urgrund allen Seins gibt es einen Urgrund des Werdens, den Punkt.

Das Tele-fon konnte unser Sozialverhalten stark verändern. Im Geiste sind wir dort, wo wir anrufen. Neue Formen der Geistesabwesenheit entstehen.

Auch der Stamm einer Domain Name System(DNS)-Hierarchie ist der Punkt.