Der Kampf zwischen Re und Seth

Einstmals war Re-Harachte zu Schiffe nach Nubien gereist, um das Land zu besehen. In seiner Begleitung befanden sich auch Horus und dessen Mutter Hathor. Da überbrachte man ihnen die Botschaft, daß sich die Länder empört hätten. Re brach auf und fuhr zu Schiff zurück, mit ihm aber war sein Heer. Horus aber beschwor seinen Vater Re, den Krieg zu eröffnen und den Aufruhr niederzuschlagen. Da besann sich Re nicht lange und beauftragte seinen Sohn Horus, die Truppen zu sammeln und den Gegner zu vernichten. Horus aber erhob sich und stieg als große, geflügelte Sonne zum Himmel. Von oben sah er, wo sich die Gegner aufgestellt hatten. Dort stürzte er sich auf sie in Gestalt der geflügelten Sonne, so daß sie geblendet wurden, hin und her taumelten und sich gegenseitig durch ihre Schwerter umbrachten. Die Verwirrung war so groß, daß jeder in dem anderen einen Gegner sah. Da kam Horus zurück. In der Gestalt des »vielfarbigen Falken«, der geflügelten Sonne, ließ er sich nieder im Schiffe des Re. Thot aber hatte von dem Schiffe des Re die Schlacht beobachtet und dem Re die siegreiche Heimkehr des Horus angekündigt. Da erhob sich Re und umarmte seinen siegreichen Feldherrn und benannte das Schlachtfeld nach dem Namen des Horus. Re aber machte sich mit seinem Gefolge auf und besah das Schlachtfeld und fand den Ort »erfüllt mit angenehmem Leben«, denn er war sehr froh, daß die Empörer von Horus geschlagen worden waren. Aber einige von den Gegnern des Re waren in das Wasser entwichen und verwandelten sich in Nilpferde. Als nun aber das Boot des Re sich in Bewegung setzte, stiegen die feindlichen Nilpferde auf und versuchten mit Hilfe der Krokodile, die Boote zum Kentern zu bringen und die Besatzung zu verschlingen. Da ergriff Horus seine Harpune und Stricke und vertrieb die Untiere und tötete so viele, wie er und seine Mannen habhaft geworden waren. Horus aber stieg an Bord des Schiffes des Re, begleitet von Nechbet und Uto, deren strahlende Kronen Feuerbrände aussandten. Da flohen die Ungeheuer stromaufwärts, verfolgt von dem geschwinden Boot des Horus. So schlug er sie bei Theben und bei Dendera, so verfolgte er sie zu Wasser und zu Lande und schlug sie. Mit Harpune, Beil und Lanze metzelte er sie nieder. Er verfolgte sie in das Delta und bis an das Meer. Als er aber schon fast alle erschlagen hatte, kam Seth, der Anführer, hervor und fluchte dem Horus so laut, daß Re in seinem Boote erschrak und befahl, fortan sollten solche Schreie nicht mehr ausgestoßen werden. Horus aber wandte sich Seth zu und drang auf ihn ein, bis er ihn gefesselt hatte. Gebunden schleppte er ihn vor Re, damit dieser ihn verurteile. Re aber gab dem Thot die Anweisung, den Unhold der Isis und dem Horus zu übergeben, damit diese nach ihrem Gutdünken mit ihm verfahren könnten. Da schnitt Horus dem Seth den Kopf ab und schleppte ihn hinter sich her durch die Länder. Isis aber erbat von Re, daß er Horus die geflügelte Sonnenscheibe als Signum verliehe. Ihren eigenen Sohn Horus aber verwandelte Isis nach dem Bilde des siegreichen Horus mit dem Gesicht eines Falken, dem Schmuck der beiden Kronen. Seth aber verschwand in der Erde und ward nicht mehr gesehen. Fortan aber sandte Re den Horus noch oft aus, wenn sich die Anhänger des Seth zusammenrotteten, um Re zu verderben. Er ward aber der Dritte unter den Großen nach Re und Thot in seinen Verdiensten um das Land der Götter. Andere erzählen daß sich einstmals auch die Menschen gegen Re empörten. Sie waren unzufrieden mit ihrem Los. Da ließ Re die Götterversammlung zum Gerichte laden im Verborgenen, damit die Menschen nicht gewarnt würden, denn er hatte beschlossen, sie zu verderben. Da kamen die Götter zusammen und stellten sich zu beiden Seiten des Thrones auf, mit zu Boden gesenkten Häuptern. Re wollte aber den Rat der Götter einholen, bevor er befahl, die Menschen zu töten. Da sprach als erster die Majestät des Nun und riet, die Menschen zu strafen. Denn vor dem Auge des Re könnte kein Sterblicher bestehen. So sollte das Auge des Re hinziehen und die Menschen schlagen. Das Auge des Re aber zog hin in der Gestalt der Göttin Hathor. Diese traf die Menschen in der Wüste, wohin sie sich zurückgerettet hatten, und erschlug ihrer so viele, wie sie nur konnte. Es waren aber fast alle Menschen umgekommen. Dann kehrte die Göttin mit anbrechender Dunkelheit zurück und empfing von Re ein großes Lob. Re aber dachte bei sich, daß diese Strafe genüge und er mit dem Rest der so eingeschüchterten Menschen schon fertig werden würde. So sandte er nun Boten aus und ließ viel Bier brauen und mit Ocker färben. Das Bier aber ließ er an der Stätte ausgießen, wo Hathor am nächsten Tage die restlichen Menschen zu töten gedachte. Als Hathor nun aber zu der Stelle kam und das Bier roch, trank sie so viel davon, daß sie trunken wurde und den Auftrag vergaß, die Menschen zu töten. So kam sie zurück, und es erfüllte sich die Hoffnung des Re, einige Menschen leben zu lassen. Nach geraumer Zeit aber ward er es müde, das Regiment über sie zu führen und klagte wiederum bei Nun, daß er es müde wäre, sich um die Menschen zu kümmern, und bedauerte es, nicht alle Menschen getötet zu haben. Da befahl Nun dem Schu, sich seines Vaters anzunehmen, und der Nut, Re auf ihren Rücken zu nehmen. Da verwandelte sich Nut in eine Kuh, und Re setzte sich auf ihren Rücken. Als die Menschen aber sahen, daß Re nicht mehr bei ihnen bleiben wollte, besannen sie sich und schworen, fortan alle seine Feinde zu schlagen. Aber Re zog sich dessen ungeachtet in seinen Palast auf dem Rücken der Nut zurück. Am anderen Morgen aber, als Re sah, wie die Menschen sich anschickten, Kriege gegen Menschen zu führen. warnte er sie davor, denn er wußte wohl, wohin Kriege führen. Die Nut aber richtete er auf und ließ sie zum Himmel werden, die ihn weithin trug und ihn weit von den Menschen wohnen ließ. Wieder andere erzählen, daß Re täglich durch Apophis gehindert wurde, seine Bahn durch die Horizonte zu ziehen. Denn weil er beanspruchte, auch das Untere Reich zu beaufsichtigen, wandte er sich jeden Abend gen Aminte. Da aber erhob sich Apophis, die Riesenschlange, und stellte sich ihm in den Weg. Re aber und die, die mit ihm im Boote waren, griffen zu den Waffen. Sie schlugen Apophis, der keine Füße und keine Arme besaß, in Stücke. Sie zertraten seine Wirbel, schließlich verbrannten sie ihn in dem Feuer, das von dem Auge des Re ausging. Aber das Haupt des Apophis, in dem die Lanze des Re stak, ward an der Spitze des Bootes mitgetragen. Von dem Blut aber färbte sich der Himmel rot. Die Götter aber, die ihn gefesselt hatten, sorgten dafür, allen voran der starke Seth, daß das Schiff des Re ungehindert seine Bahn fahren konnte. Andere wissen noch zu erzählen, daß Re die Gestalt einer großen Katze angenommen hatte, um den Apophis zu töten.

Das Apophis Buch, Papyrus 10188 des British Museum